Mittwoch, 24. Mai 2017

Was Frauen (auch) denken

Auf der Uferpromenade in Nizza begegnen sich zwei Frauen, eine verschleierte Muslima und eine französische Schönheit im Bikini mit Sonnenbrille.
Denk die Französin: „Alles muss sie für die Männer verbergen! Nur ihre Augen darf man sehen. Was für eine besch***, männerdominierte Gesellschaft!“
Denkt die Muslima; „Alles muss sie den Männern zeigen! Nur ihre Augen darf sie verbergen. Was für eine besch***, männerdominierte Gesellschaft!“

 Was ich als Cartoon gesehen haben – und belustigend empfand – kehrt in meinen Gedanken immer wieder.
Weil darin eine tiefere Wahrheit steckt. Und mehr als eine.

Dass die westliche Welt sexistisch und vom Körperkult besessen ist, das ist ebenso eine Wahrheit, wie die Tatsache, dass sie nach wie vor von Männern diktiert wird. Und Männer wollen Fleisch sehen.
Wer die Geschichte der Verhüllung in der islamischen Welt ein wenig näher beleuchtet, der wird schnell feststellen, dass die Verschleierung der Frau in der Sharia allein auf dem Neid und der eigenen Unsicherheit beruht. Angst vor dem Neid anderer, Unsicherheit der Lebensumstände und über die eigene Männlichkeit.
Dass der Koran eine Verhüllung (das Bedecken des Kopfes bei Frauen UND Männern außerhalb des Hauses) vorschreibt ist nur vernünftig für eine Wüstenreligion.


Doch inwieweit unterscheidet sich die Vorschrift zur Verschleierung von der Vorschrift möglichst sexuelle Reize zu zeigen?

Beides dient vordergründig dem Mann. Aber auch der Frau.
Die Muslima fühlt sich dazu gehörig, konform, aufgenommen, geschützt und so in ihrem Selbstwert bestätigt.
Die Französin fühlt sich sich geliebt, begehrt, aufgenommen, dazu gehörig und so in ihrem Selbstwert bestätigt.


Einmal abgesehen davon, dass es Männer UND Frauen braucht um diese Regeln durchzusetzen - diese Regeln funktionieren seit Jahrhunderten zumindest für die breite Masse. Sie wurden und werden zwar intern immer wieder in Frage gestellt – von selbstbestimmten Frauen im Islam ebenso wie von Feministinnen im Westen – was jedoch am Grundkonsens der Masse nichts ändert.

Erst wenn die Protagonisten der Regeln aufeinander treffen beginnen die Missverständnisse.

Die westlichen Männer sehen sich um ihr Recht der sexuellen Stimulanz betrogen und die festlichen Frauen wittern hinter jedem Schleier Konkurrenz. Man will das Gesicht sehen um die andere Person einschätzen zu können. Jemand, der sein Gesicht bedeckt wird zur Nicht-Person, tritt hinaus aus dem Kreis der Gesellschaft und entzieht sich so aber auch der Einschätzung. Aus diesem Grund verbergen oft auch Obdachlose ihr Gesicht hinter Kapuzen, weil sie als Nicht-Person von der Gesellschaft nicht beachtet werden wollen.
Die islamischen Männer hingegen missverstehen die Freizügigkeit als Aufforderung und die islamischen Frauen als Unzüchtigkeit. Die Männer sind durch die Reizüberflutung der sexuellen Stimulanz überfordert, da sie darauf nicht trainiert sind und denken nicht mehr mit dem Kopf. Und ihre Frauen befürchten genau das.

Die Muslima in dem Cartoon ist da bereits einen Schritt weiter. Dankenswerter Weise. Sie versteht, dass die Französin ihre Reize nicht primär präsentiert um Männer zu verführen sondern um gesellschaftskonform zu sein.

Missverständnisse auf beiden Seiten. Unkenntnis der Unterschiedlichkeit und der Hintergründe dieser Unterschiedlichkeit. Gepaart mit anderen Faktoren wie dem Gefälle der Einkommen oder den unterschiedlichen Chancen dieser beiden Gruppen. Und der Unkenntnis über diese Unterschiede. So halten sich hartnäckig neidvolle Gerüchte über ausufernde Finanzhilfe des Staates für Ausländer oder die Bevorzugung von Inländern bei Jobs und Wohnungsvergaben. Wobei „natürlich“ dem Ausländer ein Unterstützung zukommt und der Inländer leichter Job und Wohnung bekommt.

Hier schaufelt sich die Gesellschaft ein Pulverfass voll.

Gegenseitiges Interesse und daraus resultierende Akzeptanz kann es wieder leeren.
Information, Neugier und den Mut sich einzulassen auf Neues würden dazu gebraucht. Natürlich wird man nie alle erreichen. So wie auch heute noch mancher christliche Priester an Hexen glaubt und „Teufel“ austreibt. (Rund 550 Jahre nach dem „Hexenhammer“)

Doch das Wichtigste an der Entschärfung dieser gesellschaftlichen Sprengkraft ist, dass man niemals verlangen kann, dass 'andere' etwas tun. Mit Ausnahme der (An-)Forderung sich dem Leben zu stellen. 

Man kann nur seine eigene Einstellung erkennen und ändern.
Und wenn man selbst nicht bereit ist, einen Schritt zu tun, wie kann man diesen Schritt dann von einem Anderen fordern? 


Wer selbst nicht bereit ist zu lernen, der hat als Lehrer versagt.

Dienstag, 9. Mai 2017

Roter / Grüner / Blauer Mars

Kim Stanley Robinson hat mit seiner Mars-Trilogie 1992 einen Klassiker geschaffen. 
Und wenngleich sich auch vieles in den 25 Jahren seither nicht so entwickelt hat, wie er das meinte, gibt es darin technische Ansätze, die eigentlich nur auf ihre Umsetzung warten. Aber wir haben ja noch rund 50 Jahre Zeit. Es wäre zu schaffen. Zumindest was das Technische angeht.
Allerdings beim Sozialen und beim Gesellschaftlichen – wo auch Robinson der Probleme sieht – da entwickeln wir uns nicht wirklich weiter.
So sehen die Figuren Robinsons, die den Planeten besiedeln und wissen, dass sie ihn nie wieder lebend verlassen werden, die Besiedelung als Neuanfang für die menschliche Rasse und wollen all die althergebrachten Vorurteile und Missstände über Bord werfen.
Aber wo ökologische Fanatiker mit Techno-Nerds zusammen prallen, dort sind auch sozialistische Extreme nicht weit, Macht- und Geldpolitik spielen mit und sich gegenseitig aus.
Die sozialen Konflikte, die Robinson skizziert, wirken sehr viel realer als seine Technikgläubigkeit. Denn Menschen bleiben nun einmal auch Menschen, selbst wenn sie auf dem Mars geboren wurden. Und die Erkenntnis, dass man für die Weiterentwicklung der menschlichen Rasse mehr benötigt, als „nur“ die Besiedlung eines anderen Planeten – und das Terraforming dieses Planeten – dass wird nur all zu verständlich, wenn man sich die (vorhersehbaren) Probleme der Marsianer in 200 Jahren ansieht. Da hat sich nicht viel getan gegenüber der guten, alten Erde.
Technisch ist es insofern eine interessante Utopie, als wir nicht einmal in der Lage sind halbwegs stabile Programme zu schaffen. Von autonomen Robotern ganz zu schweigen. Wobei autonom für mich bedeutet „funktioniert auch außerhalb des geschützten Labors“. Roboter, die sich selbst reproduzieren und dann andere, die unterschiedlichste Aufgaben übernehmen – da, ja, ist Sience Fiction!
Das wird sich wohl wirklich erst ändern, wenn die Programmierung vollständig von den Programmen übernommen wurde. So lange der Mensch Abläufe vorgibt werden sie unvollständig und tendenziös sein. Menschlich eben. Ob die präzise Logik einer Maschine „besser“ ist? Ich glaube, es kommt auf die Aufgabenstellung an. Lautet diese „Grabe einen Tunnel und kleide ihn aus“, dann kann die kalte Logik obsiegen. „Versorge eine Gesellschaft“ benötigt Intuition. Und das haben die Menschen den Maschinen noch voraus. Noch.




Mittwoch, 3. Mai 2017

Ist Jesus Pole ?

Das Abendland ist christlich. 
Und da tut sich wiederum ganz besonders Polen hervor.

Man kommt an dieser Nachricht nicht vorbei. Egal wohin man sieht und was man liest.
Doch ich frage mich, von welchem Christentum sprechen diese Menschen?
Der christliche Gott verlangt zwei Dinge: Gehorsamkeit und Demut sowie Caritas, also Nächstenliebe.

Was du dem Geringsten getan hast, das hast du mit getan.“
Jesus von Nazareth

Es ist Polen und es ist das ganze Abendland, an dessen Tür geklopft wird. 
Schwangere auf Herbergssuche. 
Doch die christlichen Türen bleiben verschlossen.
Männer und Frauen, alte Leutchen und kleine Kinder sterben in den Lagern oder starben auf dem Weg. Erfroren, verhungerten, verdursteten oder wurden getötet im Namen des Gottes Mamon. So wie die Tausenden, die ersoffen.

Wurden wirklich Flüchtlingsboote von Kriegsschiffen beschossen, um sie zur Umkehr zu zwingen? Und dabei versenkt?

Sieht so das Christentum des Abendlandes aus?

Heißt das Christentum Polen wirklich – Wir zuerst und alle anderen sollen verrecken?

Jede Religion hat ihre Fehler, denn jede Religion ist nur das Werk von Menschen. Doch was ich jetzt erleben, dass hat nichts mehr mit „römisch-katholisch“, mit „evangelisch“ oder „orthodox“ zu tun. Man sollte ehrlich genug sein, um dieser Strömung einen neuen Namen zu geben.

Protektoristischen Christentum“ - das wäre ein Name, der auch auf der anderen Seite des Atlantiks gut ankommen würde. Vielleicht sollte man auch das „Christ“ weglassen. Denn mit den Lehren, die dem jungen Zimmermann aus Nazareth hat das nichts mehr zu tun.
Hat sich übrigens schon mal jemand darüber Gedanken gemacht, was Jesus wohl tun würde? Angesicht von Flüchtlingsströmen, Menschenhandel und Massenmord durch Umweltverschmutzung?


Überzeugter Pole wäre er sicherlich nicht.